Rückzug in die Stille der Berge Irlands

Rückzug in die Stille der Berge Irlands

Rückzug in Irlands wilde Berge. Tage der Klarheit unter dem hohen Himmel. Zentrierung. Erdung. Fels, Wasser, Gras, Luft, Wind, Sonne, Regen. Intensive Verbindung mit der Natur. Wandern. Sitzen, Wandern. Ruhen. Übernachtung hoch in den Bergen in einem alten Cottage. Kein Strom, keine Ablenkung. Trocken und geborgen vor dem großen Kaminfeuer. Waschen im Fluss. Das Essen: einfach, schmackhaft. Die Attribute des modernen Alltags — Uhr, Telefon, Brieftasche, iPod — abgelegt, ausgeschaltet, abgegeben. Die Sinne wach, das Herz offen. Dies die Stichworte für den Natur Retreat in Irlands Bergen, unsere besten Momente im Veranstaltungsjahr.

Corina Pennekamp

Corina Pennekamp

Hier schildern TeilnehmerInnen von Ihren Erfahrungen in der Natur, mit sich selbst und mit Gleichgesinnten.  Heute der Bericht von Corina Pennekamp aus Bocholt. Corina (50) steht ihre Frau im Alltag als selbständige Controllerin. 

Meine ganz persönliche Kurz-Story zum Natur-Retreat von Wanderlust

Irgendwie, gedankenversunken in den in letzten Tagen Irland, bin ich per Bus, Flugzeug und Taxi wieder zuhause in Deutschland angekommen. Stehe nun, am nächsten Morgen, mit mechanisch ablaufenden Handgriffen vor der Waschmaschine. Eigentlich bin ich gar nicht hier, eigentlich bin ich immer noch bei meinen neuen Freunden, die ich nun sehr vermisse, im Cottage in den Caha Mountains. Das ist die Region, in der wir alle einen Tausch gemacht haben. Mein persönlicher Tausch hat mein Leben nicht nur verändert, sondern gewissermaßen gerettet. Aber davon später mehr.

Durch im WDR vorgestellte Urlaubsreisen im Südwesten Irlands wurde ich auf Wanderlust aufmerksam und rief mir sofort die Homepage auf. Sehr übersichtlich aufgebaut und informativ. Unglaublich viele Möglichkeiten, da fiel die Wahl schwer. Mein Blick fiel auf die Worte „Wildnis-Woche“ (Natur-Retreat). Das zog mich magisch an. Der Inhalt dazu bestärkte zunehmend das Gefühl, dabei sein zu wollen und nachdem ich den kleinen Film zu dieser Woche angesehen hatte, mir die Texte auf den Seiten durchgelesen hatte, startete ich eine Anfrage. Schon diese Anfrage war mutig von mir, war ich doch bisher ein eher ängstlicher Typ, auf absolute Sicherheit bedacht. Aber meine persönliche Situation, mein Leben, hatte sich durch den Tod eines lieben Menschen gravierend und grundlegend verändert, ich verlor dabei den Boden unter den Füßen und jeglichen Halt im Leben. Deshalb war ich gierig auf diese Wildnis-Woche, von der ich mir erhoffte, sie würde mir helfen, mich wieder zu erden, mich wieder zu mir selbst zu bringen. Nach vielen Selbstzweifeln, Abwägungen und wunderschönen, tiefsinnigen Telefonaten mit Antje, der guten Seele des Unternehmens und der Managerin meines ersten Eindrucks, meldete ich mich an.

Geborgen in den Bergen

Geborgen in den Bergen

Schon die Vorbereitungen waren spannend und vom Wanderlust-Team unglaublich gut durchdacht. Als Teilnehmerin erhielt ich eine umfangreiche Packliste. Ich folgte einer inneren Stimme, die mir sagte, diese Liste so genau wie möglich zu befolgen, schließlich ist sie auf Erfahrungswerten aufgebaut. Das Wichtigste war natürlich wetter- und regenfeste Kleidung und gutes Schuhwerk, möglichst auch wasserfest. Ich beschloss, auf jegliche Baumwolle und Jeans zu verzichten und achtete darauf, möglichst wenig Gewicht und Volumen in den großen Touren- und den kleineren Tagesrucksack zu packen. Jeder Tag vor der Abreise nach Irland am Samstag, dem 19. September 2015, vergrößerte meine Vorfreude, aber auch meine Aufregung, ob auch alles gut klappen würde. Der Flug von Düsseldorf nach Dublin verlief problemlos, ebenso die Busreise mit dem Aircoach-Bus nach Cork. Dort gab es einen Sammelplatz für alle Wanderlust-Reisenden, wo wir zusammen mit einer Wandergruppe abgeholt wurden.

Im Cottage

Im Cottage

Unsere Wildnis-Gruppe bestand aus drei Frauen, das Abenteuer begann mit einer Schwitzhütte. Diese Prozedur zu beschreiben ist schwierig, so etwas muss man erlebt haben, unbedingt. Diese war meine erste und ich war sehr aufgeregt. Uwe, unser Guide für die Wildnis-Woche, leitete die Sitzung in der Schwitzhütte, die mir persönlich außerordentlich gut gefallen hat, weil sie mich emotional auf Anfang gestellt hat. Ein Anfang, auf den ich heute noch aufbauen kann. Anschließend fuhren wir im Dunkeln in die Berge, zum Cottage, das für diese Woche unser Zuhause sein würde.

Blick aus dem Fenster

Blick aus dem Fenster

Wir waren alle auf ein einfaches Leben vorbereitet und ahnten ein wenig, was auf uns zukommen würde, aber so? Ich war plötzlich unsicher. Die Küche war spartanisch eingerichtet, ein Gaskocher, eine große Kühlbox als Kühlschrank, ein Regal mit verpackten Lebensmitteln, einige Hängekörbe mit Obst und Gemüse, ein Korb mit Brot. Daneben gab es einen kleinen Raum mit einer Toilette. Da es kein fließendes Wasser gab, standen hier zwei Eimer, die mit Regenwasser aufgefüllt werden mussten und so als Spülvorrichtung für die Toilette dienten. Okay, dachte ich mir, mal sehen, wie es weitergeht. Im Wohnzimmer gab es bequeme Stühle und einen Kamin. Unten neben dem Wohnzimmer war der Schlafraum für Uwe. Über eine Holztreppe gelangten wir vom Wohnzimmer aus zu drei Schlafräumen. Da wir drei Frauen waren, konnten wir uns den Luxus leisten, jeder von uns ein eigenes Zimmer zuzuweisen. Matratze, Isomatte, Schlafsack, fertig war das Nachtlager. Die erste Nacht war sehr kalt, der Kamin war lange Zeit kalt geblieben und so konnte das Haus nicht richtig beheizt werden. Aber es war alles vor Ort, was für ein einfaches Leben benötigt wird. Ich kann es schon jetzt vorwegnehmen: uns allen hat es in dieser Woche an nichts gefehlt. Sogar die Kühlbox hat perfekt als Kühlschrank funktioniert, die ganze Zeit über.

Die Elemente genießen, Ruhe finden.

Die Elemente genießen, Ruhe finden.

Als der Kamin am nächsten Morgen mit einem guten Feuer beheizt wurde, breitete sich sofort wohlige Wärme aus. Wärme am Kamin und beim Wasserkochen in der Küche. Draußen am Trinkwasserhahn die Morgentoilette mit Zähneputzen und Waschen. Das größte Badezimmer der Welt. Das Wasser war eiskalt, aber erfrischend und klar, außerdem mit einem Ausblick, der schöner nicht sein kann: Berge, Bäume, das Tal, umherlaufende Schafe und vieles mehr. Sehr ruhig, nur die Natur bestimmte die Geräusche. Kein Fluglärm, kein Auto, kein Wecker. Nur die Natur. Großartig.

Wir bereiteten gemeinsam das Frühstück vor und aßen am Tisch. In aller Ruhe, mit guten Gesprächen begannen wir den Tag. Dabei packten wir unsere Brotdosen für die Wanderung und folgten gut ausgerüstet mit regenfester Kleidung und Tagesrucksack unserem Guide. Die Landschaft dort oben ist unbeschreiblich schön, wegen des häufigen Regens natürlich grün und saftig. Es gibt keine Wanderwege, aber gerade das macht dieses Leben hier so reizvoll. Man sucht sich seinen Weg, es gibt tausend Möglichkeiten. Wir gingen bergauf und bergab, passierten kleine und große Bäche und liefen über matschigen Boden, vom Regen durchgeweicht. Wir kletterten über Zäune und rutschten auch mal auf glatten Steinen aus. Jederzeit war eine helfende Hand bereit, zuzupacken. Die Pausen verbrachten wir mal gemeinsam, mal getrennt, jeder für sich allein. Auch das hilft, Gedanken und Gefühle zu ordnen. Nach der Rückkehr zum Cottage wurde gekocht. Das Essen schmeckte sehr gut, die Rezeptvorschläge von Wanderlust waren gut durchdacht und wunderbar umsetzbar.

Am Meer

Einen Tag verbrachten wir damit, zum Gipfelkreuz des Aussichtsberges Sugar Loaf zu kommen, und ich kann sagen, wir sind alle stolz, dass wir es geschafft haben. An einem anderen Tag verbrachten wir unten am Meer eine gute Zeit, was aber nicht weniger anstrengend war. Insgesamt sind die Tagestouren machbar. Manchmal drängt man sich selbst den Gedanken auf, dass man es nicht schafft, dass die Touren zu schwierig oder zu kräftezehrend sind, aber irgendwie geht es dann doch weiter. Manchmal ist es einfach nur eine Kopfsache.

Corinna auf der Schafwiese

Corinna auf der Schafwiese

Der Abschied von diesem einfachen Leben war traurig, gern wäre ich noch geblieben. Aber alles geht einmal vorbei und so wurden wir abgeholt und fuhren zurück in die Zivilisation. Das war zunächst eine große Umstellung für uns, waren wir doch Motorenlärm, viele Menschen und grelles Lampenlicht gar nicht mehr gewohnt. Die andere Wandergruppe, mit der wir wieder zusammentrafen, hatte dafür auch großes Verständnis.

Diese Reise würde ich jederzeit wieder antreten, denn die Erfahrungen und Werte, die ich gesammelt habe, sind für mich ein kleiner Schatz. Für mich selbst kann ich sagen, diese Reise hat mir nach meinem schweren Schicksalsschlag wieder neuen Lebensmut gegeben. Für mich persönlich steht jetzt bereits fest, dass ich ab sofort meine Urlaubsziele in eine solche Richtung lenken werde, Wandertouren dieser Art sind genau das Richtige für mich.

Wir alle haben viel mehr bekommen, als wir dafür gegeben haben. Es war ein Tausch: Wir haben viel Ballast und Sorgen in den Caha-Mountains ablegen dürfen und viel Kraft, Mut, Zuversicht und noch vieles mehr mitgenommen. Aber vor allem haben wir Menschen getroffen, die uns ein Leben lang verbunden sein werden durch die wundervolle Zeit, die wir dort oben zusammen verbracht haben.

Pause am Meer

Pause am Meer

Corina schickte uns danach noch diese schönen Zeilen, die sie während des Retreats in ihrem Tagebuch notiert hat:

“Während ich hier in meinem Zimmer im Schlafsack liege und einige Gedanken aufschreibe, kommt die Morgendämmerung des dritten. Tages. Die knapp vierhundert Schafe ringsumher rufen sich und uns ein fröhliches „Guten Morgen“ zu. Auch sie und ihr einfaches Leben tragen dazu bei, mich wieder zu erden. Das Land, auf dem die Schafe weiden, ist Symbol für das pure Leben: bergauf, bergab, unwegsames Gelände, schwierige und leichte Passagen, Grenzen aus Wasser, Begrenzungen von Menschenhand. Steine, mal Halt gebend, mal rutschig. Aber auch die Möglichkeit, vielfältige Wege in vielfältigen Richtungen einzuschlagen. Jeder Weg hat auch ein Ziel und sei es nur, weil am Ende des einen Weges ein neuer Weg eingeschlagen werden kann. So manches Mal kommt man auch nur über kleinere Umwege zum Ziel. Und wird das Gelände schwierig, zu schwierig für mich, ist immer eine helfende Hand bereit. Auch das ist ein Symbol für das tägliche Leben. Die Hand ist da, du musst sie nur ergreifen.

Ich krieche aus meinem Schlafsack und komme mir vor wie ein Küken, das aus einem Ei schlüpft. Ein neuer Morgen, ein neuer Tag, mit neuen Chancen und Möglichkeiten. Carpe Diem. Carpe Diem mit Menschen, die mir sehr ans Herz gewachsen sind.”

Markus, ich danke dir und deinem Team, vor allem auch Uwe, für diese unvergessliche, unbezahlbare Woche, diese Erlebnisse, die mich wieder ins Leben zurückgeholt haben.

Danke für alles. Ganz liebe Grüße, Corina

Vielen Dank, liebe Corina, für Deinen einfühlsamen Bericht.

Im Jahr 2016 werden wir drei mal auf Natur-Retreat in Irland geben. Die Termine: 21. bis 28. Mai, 30. Juli bis 6. August und 3. bis 10. September. Für Interessierte gibt es detaillierte Informationen auf: www.irland-natur.de 

Fotos: Antje Wendel (2), Uwe Backhaus (3), Markus Bäuchle / www.irland-wandern.de