Tipps zum Wandern in Irland: Das ländliche Irland ist heute vielerorts abgesperrt und verriegelt. Zäune und Tore versperren vor allem in den Tieflagen den Weg in die offene Landschaft. Was tun?
Ein deutscher Urlauber steht in Irlands freier Natur vor einem verschlossenen Tor. Nur noch 200 Meter zu dieser interessanten Turm-Ruine. Doch er denkt sich: Oh, Durchgang verboten, dreht um, sucht sich einen anderen Weg entlang des Zaunes. Ein Ire steht in der Natur vor einem verschlossenen Tor. Er sieht keinen schriftlichen Hinweis, öffnet das Tor, geht hindurch, schließt das Tor hinter sich und setzt seinen Weg unbeirrt fort.
Ein geschlossenes Tor auf dem Land in Irland bedeutet noch nicht das Ende des Weges. Sofern nicht schriftliche Hinweise wie „No Trespassing“ (Unbefugter Zutritt verboten) oder „Private“ (nichtöffentlich) oder ganz rüde „Keep out“ (Bleib draußen) am Tor prangen, gilt das Prinzip „Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erst einmal erlaubt“. Da diese Tore jedoch meistens auch eine Funktion haben, in der Regel nämlich die, Tiere in einem Feld zu halten, hat der Torbenutzer eine oberste Pflicht: das Tor wieder zu schließen. Genauer gesagt: Er hinterlässt ein Tor in dem Zustand, in dem er es vorgefunden hat – manchmal auch offen.
Hinter dem simplen Gang durch ein Tor verbirgt sich freilich ein Dickicht hoch komplizierter rechtlicher Probleme mit dem Namen „Wegerecht“ (Right of way). Dieses Wegerecht ernährt den Berufsstand der irischen Anwälte seit nunmehr fast einem Jahrhundert hervorragend. Ganze Bibliotheken Rechtsliteratur sind geschrieben worden, um das Thema in den Griff zu bekommen – vergebens. Immer neue Fälle verleihen dem Streitobjekt Nummer 1 im Land immer neue Facetten. So gibt es Grundstücksbesitzer, die ihr geliebtes Stück Land gar nicht betreten können, weil sie kein Wegerecht und damit keinen Zugang haben – es sei denn, sie fliegen direkt mit dem Hubschrauber ein.
Schwierig wird es immer dann, wenn Eigentum und regelmäßige Nutzung im Spiel sind. Wer beispielsweise regelmäßig einen Weg über Privatland geht, und dies über Jahre hinweg tut, kann nach langen Jahren der Nutzung daraus ein Recht postulieren und mit etwas Glück gerichtlich durchsetzen.
Von derlei Problemen wird der einfache Wanderer nicht berührt, ist er ein doch eher flüchtiges Subjekt. Er macht seine Wanderung – am besten mit einem ortskundigen Führer – und ist schon wieder weg. Ausnahmen bestätigen die Regel. So sperren zornige Bauern, die sich von der Regierung oder der County-Verwaltung ungerecht behandelt fühlen, schon einmal einen beliebten Wanderweg, und versuchen, arglose Wanderer mit dem Knüppel „Private Property“ (Privatland) zu verscheuchen. In diesem Fall bleibt man am besten ganz ruhig, spricht ein paar freundliche Worte in welcher Sprache auch immer, lächelt und geht mit dem Mut des Ahnungslosen zielstrebig seines Weges.
Am Vorbildlichsten verhält sich natürlich, wer schon vor der Überquerung von Privatland – und in Irland befindet man sich 95 Prozent aller Fälle auf Privatland – zielstrebig den nächsten Bauernhof ansteuert und nach einem Schwätzchen mit dem Farmer freundlich um Erlaubnis bittet, das Ziel am Horizont ansteuern zu dürfen. Nach unserer Erfahrung ist eine Ablehnung des Wunsches eher die Ausnahme.
Kompliziert kann es auch sein, den Weg durch den Farmengürtel in der Ebene hindurch zu finden, um in die Berge zu gelangen. Zahlreiche irische Berge sind von den eingezäunten Farmen und ihren zäunenden Farmern am Fuß der Erhebung fast perfekt abgeschottet und ohne Ortskenntnis kaum erreichbar. Der Trost: Hat man den Einstieg erst eimal geschafft, dann wird man mit weitgehend offenen Bergen belohnt. Weitgehend: Man muss sich nicht wundern, auch hoch oben im Gebirge da und dort Grenzzäune und Feldtore zu finden.
Und dann ist da noch die Angst vor der Haftung. Das irische Recht ist sehr eigen, wenn es um die Haftungspflicht geht: In der Vergangenheit gab es viele Fälle, in denen Richter die Landeigentümer verantwortlich machten, wenn sich Gäste und Besucher auf deren Grundstück verletzten. Es gab auch immer wieder Iren, die diese Rechtslage schamlos ausnutzten und Unfälle auf fremden Land mit Vorsatz provozierten, um damit Kranken- und Schmerzensgeld einzuklagen. Kürzlich erzählte mir ein Farmer auf dem Mizen, dass seine „böse Nachbarin“ mit diesem Trick bereits sechs Mal vor Gericht gezogen sei. Das Ergebnis: Ein nachhaltig vergiftetes Nachbarschaft-Klima.
Viele Farmer versuchen sich aus diesen Gründen vor Ansprüchen zu schützen, indem sie Ihre Eingangstore mit Warnschildern bestücken, die wie Auszüge aus dem Gesetzbuch anmuten. Sie sind mit dem Wort NOTICE überschrieben und merken in der Regel auch an, dass es nicht autorisierten Personen verboten sei, das Land jenseits des Schilds zu betreten – doch auch hier ist die Realität meist komplizierter: Die Farmer lehnen damit einfach eine Haftung für Wanderer und Spaziergänger ab, viele haben ansonsten aber nichts gegen Wanderer und Spaziergänger.
Wenn ein Tor fest abgeschlossen ist, kann man immer noch klettern. In diesem Fall gilt: Der geübte Wandersmann steigt immer an der Tor-Angel – dort wo das Tor im Scharnier aufgehängt ist – über das Hindernis, und niemals auf der frei schwingenden Seite; eine Vorsichtsmaßnahme, um das Tor nicht zu beschädigen. Auch beim Zaunklettern sollte man materialschonend vorgehen und den Zaun ganz in der Nähe eines Pfahls übersteigen, um den Draht nicht abzureißen und den Zaun nicht zu beschädigen. Manchmal findet man auch einen kleinen hölzernen Übertritt, über den man bequem auf die andere Seite gelangt.
Interessant und eventuell sogar gesundheitsfördernd ist natürlich immer auch die Frage: Was erwartet mich auf der anderen Seite des Zaunes oder Tores? Gerne weist der irische Bauer mit einem Schild darauf hin, dass man im eigenen Interesse ein Rendezvous mit einem ausgewachsenen männlichen Rind vermeiden sollte. Schilder warnen deshalb gerne vor gefährlichen Bullen: Vorsicht! Gefahr! Hüte Dich vor dem Bullen! Dass diese muskulösen Eineinhalbtonner protektiv und aggressiv sein können, ist hinreichend bekannt. Nur ist oft im Feld kein Bulle drin, obwohl Bulle drauf steht. Was tun? Auf jeden Fall vorsichtig sein und einen Späher (gerne den Wanderführer) vorausschicken. Im Zweifelsfall die Bullenwiese meiden und umgehen.
Insgesamt gilt: Fragen hilft, Rücksichtnahme auch. Unsere Aufgabe als Wanderführer von Wanderlust ist es, die richtigen Routen auszuwählen, die Eigentümer vorab um Erlaubnis zu fragen, um dann die Gruppe sicher durch das Gelände zu führen und dabei Zäune, Tore und Tiere der Farmer nicht zu beeinträchtigen.
Dieses „Benimm für Wanderer in irischen Gefilden“ gilt übrigens nicht für ausgeschilderte offizielle Wanderwege. Und ob wir mit unserem treuen Begleiter, dem Hund, über Bauernland wandern gehen, ist ein anderes Thema für einen der nächsten Wander-Tipps an dieser Stelle.
:: Fragen und Anregungen? Markus Baeuchle von Wanderlust freut sich auf Ihre E-Mail: info@irland-wandern.de
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